23. April 2018

EU-Richtlinie - EU-Kommission will Hinweisgeber besser schützen

Die Affären um Dieselgate, Luxleaks und Panama Papers wurden aufgedeckt, so der Erste Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans, weil Hinweisgeber den Mut gehabt haben, die Verfehlungen zu melden. Allerdings hat die Kommission auch festgestellt, dass der Schutz von Hinweisgebern in der EU uneinheitlich geregelt ist. Die Europäische Kommission will künftig Hinweisgeber besser schützen, wenn diese im Rahmen ihrer Arbeitsbeziehungen Meldungen machen oder Informationen über Gefahren oder Nachteile für das öffentliche Interesse mitteilen. Die Europäische Kommission hat hierfür am 23.04.2018 eine entsprechende Richtlinie vorgelegt.

Bei der Vorstellung der Richtlinie hat der Erste Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans erklärt: „Wer richtig handelt, sollte nicht bestraft werden. Mit dem heutigen Vorschlag werden zudem auch jene geschützt, die investigativen Journalisten als Quelle dienen und damit dazu beitragen, dass die Meinungsfreiheit und die Medienfreiheit in Europa gewahrt bleiben.“

Auch die EU-Kommissarin für Justiz, Verbraucher und Gleichstellung, Frau Věra Jourová sagte: „Mit den neuen Regeln für den Hinweisgeberschutz wird sich das Blatt wenden. In einer globalisierten Welt, in der das Streben nach Gewinnmaximierung mitunter zulasten der Gesetzestreue geht, müssen wir Menschen helfen, die das Risiko auf sich nehmen und schwere Verstöße gegen das EU-Recht aufdecken. Das sind wir den ehrlichen Menschen Europas schuldig.“

Ziel der Richtlinie
Die am 23.04.2018 vorgelegte Richtlinie soll Hinweisgebern ein hohes Schutzniveau anhand EU-weiter Mindeststandards bieten.

Mit der neuen Richtlinie verfolgt die EU das Ziel, sichere Kanäle für die Meldung von Missständen sowohl innerhalb einer Organisation als auch an Behörden zu schaffen. Hinweisgeber werden vor Kündigungen, Zurückstufungen und anderen Repressalien (Einschüchterungen und/oder Vergeltung) geschützt. Nationale Behörden werden verpflichtet, die Bürgerinnen und Bürger zu informieren und öffentliche Stellen im Umgang mit Hinweisgebern zu schulen.

Die Richtlinie dient auch dem Schutz der Meinungs- und Medienfreiheit sowie der Wahrung der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie in Europa. Begründet wird dies damit, dass Hinweisgeber dazu beitragen, dass Journalisten und die freie Presse ihrer grundlegenden Aufgabe in unseren Demokratien nachkommen können.

EU-weiter Schutz bei Meldungen von Verstößen in zahlreichen Bereichen des EU-Rechts

Der am 23.04.2018 vorgelegte Vorschlag soll EU-weiten Schutz bei der Meldung von Verstößen gegen das EU-Recht in den Bereichen

  • öffentliche Auftragsvergabe,
  • Finanzdienstleistungen,
  • Geldwäsche und
  • Terrorismusfinanzierung,
  • Produktsicherheit,
  • Verkehrssicherheit,
  • Umweltschutz,
  • kerntechnische Sicherheit,
  • Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit,
  • Tiergesundheit und Tierschutz,
  • öffentliche Gesundheit,
  • Verbraucherschutz,
  • Schutz der Privatsphäre,
  • Datenschutz und
  • Sicherheit von Netz- und Informationssystemen

gewährleisten.

Die neuen Vorschriften sollen außerdem

  • bei Verstößen gegen die EU-Wettbewerbsvorschriften und
  • bei Verstößen gegen die Körperschaftsteuer-Vorschriften sowie
  • bei Schädigungen der finanziellen Interessen der EU

zur Anwendung kommen.

Betroffene Unternehmen und Verwaltungen
Die Richtlinie verpflichtet alle Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten oder einem Jahresumsatz von mehr als 10 Mio. EUR ein internes Verfahren für den Umgang mit Meldungen von Hinweisgebern einzuführen.

Weiterhin werden von der neuen Richtlinie alle Landes- und Regionalverwaltungen und Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnern erfasst.

Klare Mechanismen und Pflichten für Arbeitgeber
Die EU-Kommission fordert in der Richtlinie, dass die erforderlichen Schutzmechanismen einerseits klare Meldekanäle innerhalb und außerhalb der Organisation, um die Vertraulichkeit zu wahren, andererseits ein dreigliedriges Meldesystem umfassen soll.

Das dreigliedrige Meldesystem soll bestehen aus:

  • internen Meldekanälen;
  • Meldungen an die zuständigen Behörden – wenn interne Kanäle nicht funktionieren oder nach vernünftigem Ermessen nicht funktionieren können (z.B. wenn die Nutzung interner Kanäle die Wirksamkeit von Untersuchungsmaßnahmen der zuständigen Behörden gefährden könnte);
  • Meldungen in der Öffentlichkeit/den Medien – wenn nach der Meldung über andere Kanäle keine geeigneten Maßnahmen ergriffen werden oder wenn eine unmittelbare oder offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses oder die Gefahr eines irreparablen Schadens besteht.

Die EU-Richtlinie sieht weiterhin Rückmeldepflichten für Behörden und Unternehmen vor‚ die innerhalb von drei Monaten auf Meldungen von Missständen reagieren und sie weiterverfolgen müssen.

Vermeidung von Vergeltungsmaßnahmen
Zu den Pflichten von Unternehmen und Behörden gehört es, dass jegliche Vergeltungsmaßnahmen untersagt sind und geahndet werden sollen. Wenn ein Hinweisgeber Vergeltungsmaßnahmen erleidet, soll er Zugang zu kostenloser Beratung und angemessenen Abhilfemaßnahmen erhalten (z.B. Maßnahmen gegen Belästigung am Arbeitsplatz oder zur Vermeidung einer Entlassung). Die Beweislast wird in solchen Fällen umgekehrt, sodass die von der Meldung betroffene Person oder Organisation nachweisen muss, dass sie keine Vergeltungsmaßnahmen gegen den Hinweisgeber ergreift.

Wirksamer Schutz vor Haftung
Hinweisgeber werden auch in Gerichtsverfahren geschützt, etwa indem sie von der Haftung für offengelegte Informationen befreit werden.

Wirksame Sicherungsmaßnahmen
Die EU-Richtlinie schützt verantwortungsvolle Hinweisgeber, die tatsächlich im öffentlichen Interesse handeln wollen. Die Richtlinie enthält daher auch den Vorschlag von Sicherungsmaßnahmen, wie durch die in böser oder missbräuchlicher Absicht getätigte Meldungen unterbunden und Rufschädigungen vermieden werden sollen.

Für die von der Meldung eines Hinweisgebers betroffenen Personen gilt die Unschuldsvermutung. Außerdem haben sie das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf, ein faires Verfahren und Verteidigung.

Informationen erhalten Sie auch unter:
https://ec.europa.eu/germany/news/whistleblower20180423_de

Ausführung der Kommission zu den Gründe und Zielen

Dieser Vorschlag ist Teil eines Legislativpakets zur Einführung eines endgültigen Mehrwertsteuersystems für den grenzüberschreitenden Handel innerhalb der Union, das auf dem Prinzip der Besteuerung im Bestimmungsmitgliedstaat der Gegenstände beruht, um einen robusten, einheitlichen europäischen Mehrwertsteuerraum zu schaffen. Ein Legislativvorschlag für ein solches einfacheres und weniger betrugsanfälliges endgültiges Mehrwertsteuersystem für den EU-internen Handel wurde ins Arbeitsprogramm der Kommission für 2017 aufgenommen. Diese Vorschläge für ein endgültiges Mehrwertsteuersystem für den grenzüberschreitenden Handel innerhalb der Union umfassen auch Verbesserungen des derzeitigen Mehrwertsteuersystems, die von den Mitgliedstaaten gefordert wurden.

Sowohl im Rahmen des endgültigen Mehrwertsteuersystems als auch für einige der oben genannten Verbesserungen des derzeitigen Systems sollten Steuerpflichtige unter bestimmten Bedingungen den Status eines zertifizierten Steuerpflichtigen erhalten können. Der Begriff des zertifizierten Steuerpflichtigen sollte es ermöglichen, zu bescheinigen, dass ein bestimmtes Unternehmen insgesamt als zuverlässiger Steuerzahler gilt. Bestimmte Vereinfachungsvorschriften zu betrugsanfälligen Sachverhalten wie Konsignationslagern, Reihengeschäften und dem Nachweis der Beförderung oder des Versands von Gegenständen in einen anderen Mitgliedstaat sollten nur dann gelten, wenn zertifizierte Steuerpflichtige an der jeweiligen Transaktion beteiligt sind. Das Konzept des zertifizierten Steuerpflichtigen sollte zudem die schrittweise Umsetzung des endgültigen Mehrwertsteuersystems ermöglichen, da in der ersten Stufe der Umstellung die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft gelten würde, wenn bei Lieferungen von Gegenständen innerhalb der Union der Erwerber ein zertifizierter Steuerpflichtiger ist. Die Begründung hierfür lautet, dass es nicht zu einem Betrug aufgrund nicht in Rechnung gestellter Mehrwertsteuer für Lieferungen von Gegenständen innerhalb der Union für einen zertifizierten Steuerpflichtigen kommen dürfte, da der zertifizierte Steuerpflichtige definitionsgemäß zuverlässig ist.

In diesem Zusammenhang müssen Unternehmen und Steuerbehörden den Status eines Unternehmens als zertifizierter Steuerpflichtiger unmittelbar im Internet prüfen können. Dazu ist es notwendig, dass alle Mitgliedstaaten Informationen über Unternehmen und ihren Status als zertifizierte Steuerpflichtige in einem elektronischen System speichern und dass die zuständigen Behörden eines jeden Mitgliedstaats dafür sorgen, dass dieser Status für jedes betreffende Unternehmen bestätigt wird. Diese Verpflichtungen der Mitgliedstaaten sind in den Rechtsvorschriften über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden festzulegen, d.h. in der Verordnung (EU) Nr. 904/2010 des Rates vom 7. Oktober 2010 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und die Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer (im Folgenden „Verordnung über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer“).

Kohärenz mit den bestehenden Vorschriften in diesem Bereich

Der Vorschlag soll dem Status des zertifizierten Steuerpflichtigen praktische Wirkung verleihen, der ein wichtiger Bestandteil des endgültigen Mehrwertsteuersystems für den Handel innerhalb der Union ist. Dieses System soll auf dem Grundsatz der Besteuerung im Bestimmungsmitgliedstaat der Gegenstände beruhen, wie es im Mehrwertsteuer – Aktionsplan angekündigt wurde. Der Status des zertifizierten Steuerpflichtigen ist auch im Zusammenhang mit einigen von den Mitgliedstaaten geforderten Verbesserungen des derzeitigen Systems von Bedeutung, insbesondere in Bezug auf die Vorschriften für Reihengeschäfte, Konsignationslager und den Nachweis der Beförderung bei steuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferungen von Gegenständen.

Kohärenz mit der Politik der Union in anderen Bereichen

Die Schaffung eines einfachen, modernen und betrugssicheren Mehrwertsteuersystems ist eine der fiskalpolitischen Prioritäten der Kommission für das Jahr 2017.

Die Bekämpfung des Missing-Trader-Mehrwertsteuerbetrugs ist auch einer der vorrangigen Bereich der Kriminalitätsbekämpfung in der Europäischen Union im Rahmen des EU-Politikzyklus 2014-2017 von Europol. Verwiesen werden kann außerdem auf die Einigung über die Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft (EPPO), die unter bestimmten Bedingungen für die Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer zuständig sein wird.

1. Hoher Umstellungsaufwand droht

Die Implementierung des Qualitätsmerkmals „zertifizierter Steuerpflichtiger“ wird mit einem hohen Umstellungsaufwand für die Betroffenen verbunden sein.

2. Zweiklasseneinteilung von Steuerpflichtigen und Wettbewerbsverzerrung zu befürchten

Die Voraussetzungen, die ein zertifizierter Steuerpflichtiger nachweisen muss, um den Status zu erlangen, sind sehr umfangreich. Kleine Unternehmen würden diese Nachweise deutlich schwerer erbringen können als große Konzernunternehmen, da sie weniger Personalressourcen haben. Kleine Unternehmen, die aufgrund des zu hohen Aufwands auf die Zertifizierung verzichten müssten, könnten darüber hinaus automatisch in Verdacht geraten, weniger zuverlässige Geschäftspartner zu sein. Dies könnte unweigerlich zu einer Benachteiligung, zum Beispiel bei etwaigen Ausschreibungsverfahren, führen.

Die Zweiklasseneinteilung würde zu einer unnötigen Wettbewerbsverzerrung am Markt führen. Diese würde den funktionierenden Binnenmarkt einschränken. Es besteht zudem die Gefahr, dass die Mitgliedstaaten die Voraussetzungen für das Antrags- und Kontrollverfahren unterschiedlich streng auslegen. So kann es zu zusätzlichen Verzerrungen im Wettbewerb kommen.

3. Rechtsstreitigkeiten durch unklare Anforderungen zu erwarten

Auch die Voraussetzungen, die ein Steuerpflichtiger erfüllen muss, um die Zertifizierung zu erhalten, rufen mehr als nur ein Fragezeichen hervor. Sie orientieren sich stark an den Voraussetzungen des Art. 39 Buchst. a bis c des Zollkodex der Europäischen Union (UZK). Dieser regelt die Bewilligung des Status eines sog. zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten (ZWB) im Unionszollrecht.

An dieser Stelle weist der DStV darauf hin, dass das Motiv des ZWB rein zollrechtlicher Art ist. Es ist kein Instrument der Einnahmensicherung. Vielmehr dient es der Gefahrenabwehr, also der Sicherheit bei der Bewegung der Ware. Daher erscheint eine so starke Anlehnung an die Vorschriften des UZK für Zwecke der Mehrwertbesteuerung zweifelhaft.

Im Zollrecht wird die Regelung des Art. 39 UZK durch Durchführungsverordnungen ergänzt, die die Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale erleichtern. Für Zwecke der Einführung des zertifizierten Steuerpflichtigen im Mehrwertsteuersystem fehlen bislang sämtliche Konkretisierungen. Der DStV fordert hier dringend Abhilfe, falls das Merkmal des zertifizierten Steuerpflichtigen verwirklicht werden soll.

Warum bedarf es solcher Konkretisierungen?